Experimentierfeld Innenstadt

von deutsch

Stadtentwicklung in Frankfurt

C.J.Göpfert, M.T.Deutsch, O. Cunitz, F. Diergart, C. Siegl und C. Manus. (v.l.n.r.). Foto: peter-juelich.com

Von Georg Leppert

Gehören Punks und Obdachlose einfach zum Stadtbild dazu? Sollte die B-Ebene der Hauptwache neu gestaltet werden? Um diese und andere Fragen geht es beim FR-Stadtgespräch, dessen Teilnehmer dazu raten, möglichst viel auszuprobieren.

Olaf Cunitz redet Klartext. Natürlich, sagt der Bürgermeister und Planungsdezernent, hätten auch die Punks ein Recht, sich in der Innenstadt aufzuhalten. Und selbstverständlich gehörten auch Obdachlose zum Stadtbild. Die Polizei müsse einschreiten, wenn Straftaten begangen werden. Doch davon bestimmte Gruppen zu vertreiben, hält der Grüne nichts.

Lange Zeit ging es beim Stadtgespräch der Frankfurter Rundschau zur Zukunft der City harmonisch zu. Lange Zeit waren sich alle Beteiligten im Haus am Dom darin einig, dass die Innenstadt schöner werden soll und es viele Wege gibt, dieses Ziel zu erreichen. Doch nach Cunitz’ Plädoyer für Punks und Obdachlose wird zunehmend kontrovers diskutiert.


Das liegt vor allem an Frank Diergardt. Der Sprecher der Initiative „Neue Zeil“ vertritt engagiert die Position der Einzelhändler in der Innenstadt. Und er macht kein Geheimnis daraus, dass es ihn und viele seiner Kollegen stört, „wenn 20 Punker mit acht Hunden“ am Brockhausbrunnen stehen. Diergardt spricht von Alkoholexzessen und illegalen Drogen, die an dem Brunnen auf der Zeil konsumiert würden. „Warum müssen sich bestimmte Gruppen nicht an Regeln halten“, fragt Diergardt.

Doch Olaf Cunitz bleibt bei seiner Meinung: „Nicht jeder, der nicht Teil der Kommerzmaschine auf der Zeil ist, muss da weg.“ Der Grüne räumt jedoch ein, dass Ordnungs- und Wirtschaftsdezernent Markus Frank (CDU) ihm womöglich nicht in allen Punkten Recht geben würde.

Noch mehr als die Punks stören Frank Diergardt aber ohnehin die vielen Straßenmusiker auf der Einkaufsstraße. Der Vertreter der Händler spricht davon, Mitarbeiter von Geschäften würden „terrorisiert“, wenn vor ihren Läden stundenlang ein Instrument gespielt würde. Cunitz reagiert unaufgeregt und verweist auf gesetzliche Regeln. Stadtforscher Christoph Siegl unterstützt ihn: „Es ist nicht Aufgabe von Stadtplanung, Straßenmusiker von der Zeil zu vertreiben.“

Ansonsten ist am Mittwochabend viel von Provisorien die Rede. Von Testphasen und dem Mut, etwas einfach mal auszuprobieren. Architektin Marie-Theres Deutsch etwa schlägt vor, auf dem sogenannten Drei-Plätze-Platz (bestehend aus Roßmarkt, Goetheplatz und Rathenauplatz) ein Haus zu bauen. Entstehen soll es in der Verlängerung der Junghofstraße, also zwischen Roßmarkt und Goetheplatz. Ob das Gebäude die beiden Plätze trennen soll, fragen die Moderatoren, die FR-Redakteure Claus-Jürgen Göpfert und Christoph Manus. „Nicht trennen, sondern strukturieren“, sagt Deutsch.


Auf den konkreten Vorschlag reagiert Cunitz verhalten. Prinzipiell, so sagt er, brauche Stadtplanung „Mut zum Experimentieren“. Die Stadt will während des Architektursommers Rhein-Main (9. bis 27. September) einen Pavillon auf dem Goetheplatz aufstellen. Der soll zwar abgebaut werden, wenn die Veranstaltungsreihe vorbei ist. Die Zeit reiche aber, um zu sehen, welche Wirkung ein solches Gebäude habe, so der Politiker.

Mit jenem Drei-Plätze-Platz hat auch Christoph Siegl so seine Probleme. Die Innenstadt sei zwar besser als ihr Ruf („gar nicht so öde“), jenes Platzgebilde zähle aber zu den unattraktiven Orten. „Ein unlösbares Problem ist das aber nicht“, sagt Siegl. Er verspricht sich viel von der Begrünung der Fläche. Frankfurt, so sagt er, „wird weltweit als grüne Stadt wahrgenommen“.


Viel ist von Visionen die Rede. Marie-Theres Deutsch etwa könnte sich vorstellen, die B-Ebene der Hauptwache neu zu gestalten. So könnten dort etwa Übungsräume für Musikgruppen eingerichtet werden. Keine schlechte Idee, findet Cunitz, doch die Verkehrsgesellschaft Frankfurt sei bisweilen nicht so innovativ wie manche Stadtplaner. Außerdem gebe es ja Pläne für die Hauptwache. So soll in die früheren Räume des Kindermuseums ein Techno-Museum einziehen.

Deutsch nimmt sich derweil schon den nächsten (Un)-Ort vor: die triste B-Ebene am Eschenheimer Tor. Mit ihren Studierenden hat sie den Raum schon einmal gestaltet. Reichlich kreativ, da hingen dann Chrysanthemen von der Decke. Als Provisorium durchaus denkbar, findet Cunitz, aber als Dauerlösung? So richtig glücklich ist er mit den Ideen der Architektin nicht.

Auch politisch kontroverse Themen werden angesprochen – etwa die Pläne für die Sperrung des nördlichen Mainufers oder den Rückbau der Berliner Straße auf zwei Spuren. Beides sind Projekte, die die Grünen gerne umsetzen würden, die aber – zumindest vorerst – am Widerstand der CDU scheitern.

Am Mainufer setzt Cunitz wieder auf das Motto: Lasst es uns versuchen. Übers Wochenende etwa könnte die Straße probehalber gesperrt werden. Und auf der Berliner Straße wird der Autoverkehr Ende 2017 wegen Arbeiten an der Fernwärmeleitung ohnehin eingeschränkt. Dann werde man sehen, ob es zum Verkehrskollaps kommt.

Frank Diergardt hielte einen Rückbau der Berliner Straße zwar nicht für eine große Katastrophe. Er sagt aber auch: „Autoverkehr in der Innenstadt muss möglich sein.“ Allzu schnelle Lösungen sollte aber niemand erwarten. Stadtforscher Siegl und Architektin Deutsch sind sich einig darüber, dass Stadtplanung Zeit braucht. Von der ersten Idee bis zum Ende von Bauarbeiten könnten auch mal 30 Jahre vergehen.